Triggerwarnung: Mobbing, Depression, Ernährung, Bodyshaming, sexuelle
Übergriffe, Selbsthass, Therapie
Dieses Thema liegt mir schon lange auf dem
Herzen. Und ich weiß, dass es vor 1-2 Jahren sogar noch sehr aktuell war.
Gerade durch die Body Positive Bewegung. Jedoch wurde ich schon sehr viel
früher mit diesem Thema konfrontiert und weiß auch wie viel dabei immer noch
falsch läuft.
Ich muss dazu aber ganz am Anfang meines
Lebens zurückkehren. Nicht da wo ich schon ein Kind war. Sondern kurz nach
meiner Geburt, als ich noch mit starken Magenproblemen zu kämpfen hatte. Zwar
kann ich mich nicht mehr daran erinnern, aber ich weiß wie meine Mutter mich mehrfach
zum Krankenhaus fahren musste, da ich sehr stark mit meiner Verdauung zu
kämpfen hatte.
Der Arzt hat meiner Mutter dann auch
empfohlen, dass ich immer nur in kleinen Mengen den ganzen Tag über essen
sollte.
Das klingt erst Mal ganz gut. Allerdings bin
ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen und meine Großeltern hatten auch noch
diese altmodische Einstellung, dass man doch bitte alles aufisst was auf dem
Tisch kommt. Und generell hatten viele meiner Verwandten mit starken
Übergewicht zu kämpfen. Während ich selbst eigentlich immer eine schlanke Figur
hatte. Man möchte meinen, dass Kinder vor derlei Bemerkungen verschont wurden,
aber ich habe jetzt noch die Sätze im Kopf:
„Du musst doch was essen. Damit du groß und
stark wirst.“
„Das war’s schon? Na gut, dann geh.“
„Ja, immer diese Jugend und ihre Diäten.“
Ich bin ehrlich. Es hat mich unglaublich
verletzt, dass man mir ständig etwas an den Kopf geknallt hat. Und die meisten
bösen Worte kamen von Menschen, die meist selbst mit Gewichts- und
Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatten. Doch als Kind war ich der perfekte
Kompensator für all die Erwachsenen, da ich sehr still und schüchtern war und
mich demnach auch nicht gegen die bissigen Bemerkungen wehren konnten.
Wenn es aber nur das gewesen wäre. Ich war ja
schon immer jemand der lieber für sich gegessen hat, da ich ein sehr
emotionaler Esser bin. Sobald ich in Gesellschaft bin werde ich automatisch nervös.
Es mag ja die Menschen geben die unter Menschen mehr essen. Zu denen zählte ich
definitiv nicht.
Im Alleinsein schaffte ich es meist sehr
langsam und in meinen Tempo alles aufzuessen. Doch die veralteten Lebensweisen
meiner Eltern und Großeltern führten oft dazu, dass ich mir das Essen reinzwang
oder Schuldgefühle bekam wenn ich es dann doch nicht schaffe. Meine Gefühle
wurden automatisch mit dem Essen verbunden und ich weiß noch, dass ich lange
Zeit als Teenager dadurch eine Essstörung hatte.
Denn während ich essen konnte wie ein
Mähdrescher versuchten meine Klassenkameradinnen wirklich Diäten zu machen. Im
Kochkurs wurde ich komisch angeschaut wenn ich einfach Mal eine Portion Lasagne
im Alleingang gefuttert hatte. Ich spüre jetzt noch ihre pikierten, skeptischen
Blicke auf mir. Was da noch dazu kam, dass ich damals auch sehr stark gemobbt
wurde und man generell jede Gelegenheit nutzte um mir eins auszuwischen.
Was es noch schlimmer macht sind die Menschen
die meinen Skinnyshaming auch noch verharmlosen zu müssen.
Ihr fragt wie das gemeint ist?
Nun ja, viele sind der festen Überzeugung,
dass Skinnyshaming gar nicht existiert. Ich lache dabei bitter. Denn wenn so
eine Bemerkung fehlt erinnere ich sie immer daran, dass Wörter wie Vogelscheuche, Klappergestell,
Hundeknochen, magersüchtig, dürre Schlampe und diverse anderer
Beleidigungen definitiv kein
Kompliment sind.
Und ich wünschte mir wirklich, dass es mit
der Schulzeit aufgehört hatte, aber dem war nicht so. Ich glaube es gab kein
Jahr wo ich nicht von mindestens einer Person (meistens weiblich) mir anhören
musste, dass ich doch viel zu dünn sei. Das betrifft an sich beide
Geschlechter, aber meine Erfahrung ist das Frauen grundsätzlich öfter auf das
eigene Geschlecht herumhacken als andersrum.
Ich hatte auch sehr lange gebraucht um eine
halbwegs vernünftige Beziehung zum Essen aufbauen zu können. Nicht etwa weil
ich wirklich appetitlos war (von meiner Depression und Liebeskummer abgesehen),
sondern einfach weil mir in einer Tour gesagt wurde, dass ich ungesund lebe. Die
Ironie ist vor allem (um Mal auf die Schimpfwörter oben nochmal zurück zu
kommen), dass genau so etwas erst zu einer Essstörung führen kann. In meinen
Fall hab ich mich oftmals dazu gezwungen mehr Kalorien zu mir zu nehmen als
mein Körper schaffte.
Das führte dazu, dass mir oft übel war
(übergeben musste mich nie) und ich träge war. Denn ich war auch jemand der
gerade in meiner Jugendzeit oft rausging und ausgiebige Spaziergänge machte.
Und eigentlich holt sich der Körper immer das was er braucht, aber ich hatte
mich eine Zeitlang auch dazu gezwungen 500g Nudeln am Tag zu essen (+ Frühstück
und Abendessen).
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Bodyshaming beginnt meist schon im Kindesalter.
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Ich kenne Menschen die vielleicht die Hälfte
davon essen. (Sportler ausgeschlossen). Und trotzdem hält sich das Vorurteil
aufrecht, dass schlanke Menschen als magersüchtig gelten. Ich war so
erleichtert als ich vor Jahren eine Youtuberin entdeckte die genau dieses Thema
ansprach. Leider existiert das Video nicht mehr, aber auch sie wurde immer
wieder harsch angefahren und auf ihr Gewicht angesprochen. Wenn sie einen Tag
Mal weniger aß (das sah man durch die Vlogs) prasselte es nur so an kritischen
Kommentaren.
Und so geht es mir auch. Ich hab das Gefühl,
dass schlanke Menschen regelrecht beäugt werden von solchen Pseudo-Ärzten und
Pseudo-Kritikern.
Ich persönlich finde das zum K*tzen.
Weil viele damit auch Magersucht
verharmlosen. Das ist eine psychische Krankheit und hat rein gar nichts mit der
Figur zu tun. Ich war nie magersüchtig. Maximal hatte ich eine sehr ungesunde
Beziehung zum Essen und mich oft eher überessen, als zu wenig gegessen, aber
trotzdem werden Menschen wie ich es bin in den Topf geworfen mit
Magersüchtigen. Das ist scheiße für
mich! Und scheiße für wirklich Betroffene!
Vor allem hilft es auch nicht denjenigen die
eventuell damit ein Problem haben. Den Menschen nur aufgrund seiner Körpermaße
zu kritisieren ist einfach nicht richtig. Erstaunlicherweise kommt das leider
genau von den Menschen die sich so leidenschaftlich gegen
Körper-Diskriminierung aussprechen. Auch der BMI ist übrigens Menschen wie ich
es bin ein absolutes Dorn im Auge, da er meist gar nicht so aussagend darüber
ist.
Mit Wehmut denke ich daran zurück wie ich
aufgrund dieser Tatsache deswegen niedergemacht wurde. Der Grund warum ich in
der Regel Niemand anderen aus meinen Mann oder einem Arzt mein Gewicht sage. Es
nervt mich einfach nur, dass man mich aufgrund dessen abwertet. Ich bin klein
und zierlich und ich erfahre das so oft im Leben.
Hättet ihr geglaubt, dass ich zierliches
Persönchen eine schwere Schubkarre auf einen riesigen Misthaufen fahren kann?
Nein. Weil das für viele ein absolut beständiges Vorurteil ist. Gerade im
Arbeitsleben muss ich oft darum kämpfen ernst genommen zu werden. Meine kleine
Größe ist da noch mein kleinstes Problem *Sarkasmus*. Meistens werde ich direkt
auf meine Zierlichkeit angesprochen und ob ich mir sicher bin, dass ich das
schaffe.
Egal ob Umzüge, Arbeit oder körperlich
schwere Tätigkeit. Man lässt mich spüren, dass man mich unterschätzt. Und an
sich freue ich mich natürlich wenn man mir bei etwas hilft wo ich wirklich
Probleme habe, aber… dann bitte ich
selbst um Hilfe. Das ist etwas anderes als wenn man mir diese Bitte vorweg
nimmt und denkt mir einen Gefallen zu tun.
Ich glaube ich gehe sogar öfter für
Schildrüsen-Check-Ups zum Arzt als die meisten Neunmalklugen. Und nein, ich hab
immer noch nichts an der Schilddrüse. Tatsächlich liegt es bei mir
hauptsächlich am sehr guten Stoffwechsel, dass ich nicht zunehme. Und ich finde
es ohnehin unverschämt eine Person so herabzuwerten aufgrund ihres Gewichts.
Wo wir halt wieder bei der kurios verdrehten
Ansicht der Bodypositivity Bewegung sind, die irgendwie meist sich eher auf das
Fatshaming bezieht, aber nicht beim Skinnyshaming. Ich will weder, dass diese
Arten von Shaming gleichgesetzt werden. Noch sie gegeneinander aufwiegeln. Mich
stören nur all die Menschen (die eine Menge Doppelmoral in sich tragen) die das
eine tolerieren, aber das andere verurteilen.
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Es wäre so einfach die Körper anderer zu respektieren, wenn man nur selbst die Grenzen dieser berücksichtigt. |
Eigentlich kann man es so sehen wie bei
anderen Themen:
Wenn es dich nicht betrifft dann lässt du die
Person damit in Ruhe. Spar dir die Bemerkungen und äußere dich nicht dazu, wenn
man dich gar nicht darum gebeten hat.
Es scheint für die Menschheit generell ein
Problem zu sein nicht überall zu allem unreflektiert ihre Meinung zum Besten zu
geben. Ich wünschte nur, dass dieses Thema generell etwas mehr Aufmerksamkeit
bekommen würde, da es meiner Meinung nach gerade bei der oben genannten
Bewegung immer etwas untergegangen ist.
Krankhafte Schönheitsideale sind natürlich
nie gut und es ist wichtig über das aufzuklären, aber verdammt nochmal hört
endlich auf schlanke Menschen mit Magersüchtigen in einen Topf zu werfen. Das
hat Mal so gar nichts miteinander zu tun!
Das Schlimmste was mir letztes Jahr
widerfahren ist war der Therapeut, der nicht nur alte Traumas von mir
hochgeholt hat, sondern mich im Sekundentakt auf meine schlanke Figur
angesprochen hat. Das war Skinnyshaming vom Feinsten. Und ich hatte mich auch
gefragt wie so jemand überhaupt Therapeut werden konnte. Denn das ist ein No
Go. Gerade weil eine Therapie ohnehin etwas so Sensibles ist, da man ja quasi
einen Seelenstriptease vor der anderen Person hinlegt. Zu merken, dass man
dabei überhaupt nicht ernst genommen und sogar noch runter gemacht wird ist
absolut ein Unding.
Ich finde es leider auch allzu ironisch, dass
ich sehr oft auch von Menschen gemobbt wurde die ein höheres Gewicht hatten. Ja,
Kinder sind oftmals sehr unreif, aber das allein reicht nicht als Erklärung
warum man es nötig hat andere aufgrund ihres Gewichts fertig zu machen, obwohl
man selbst davon betroffen ist. Denn im Gegensatz zu der Zeit im Schullandheim,
wo es zwei Mädchen sehr witzig fanden mich zu beleidigen, ist mein Partner ein
sehr sensibler Mensch bei diesem Thema.
Er war selbst auch von Übergewicht betroffen
und kann besser als jeder andere verstehen wie grausam Menschen sein können.
Weswegen ich nur immer wieder am
gegenseitigen Verständnis und Respekt appellieren kann.
Ich verstehe nicht warum Menschen so etwas
tun. Und schon gar nicht warum Frauen dazu neigen ständig andere Frauen nieder
zu machen. Wie gesagt, es gab auch Männer die mich gebody-shamed haben, aber
zum Großteil war es doch mein eigenes Geschlecht was es für nötig hielt mich zu
beleidigen.
Frauen sollten einfach zusammenhalten. Das
hat auch wenig damit zu tun wie sehr man jemanden mag. Wenn man Prinzipien hat
(bspw. das Ablehnen von Bodyshaming) sollte dies für beide Richtungen gelten.
Und das Schlimmste an dieser Doppelmoral ist eigentlich, dass man meist selbst
zu dem wird was man so kritisiert. Ich spreche mich übrigens auch nicht von
Bodyshaming frei. Als ich noch jünger war hab ich auch schon einige fiese
Bemerkungen abgelassen, hinter denen ich jetzt so nicht mehr stehen würde.
Wichtig ist einfach, dass man aus diesen
Fehlern lernt und es in Zukunft richtig macht.
Shamed einfach nicht Leute für ihr Gewicht
und lasst sie in Ruhe. Ihr wisst nicht was für eine Seele hinter diesem Körper
steckt. Und schon gar nicht wie ihr diese damit nachhaltig schädigen könnt.
~ LadyCasera 🐇
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