Skinnyshaming ist beschämend!

 

Triggerwarnung: Mobbing, Depression, Ernährung, Bodyshaming, sexuelle Übergriffe, Selbsthass, Therapie
 
Dieses Thema liegt mir schon lange auf dem Herzen. Und ich weiß, dass es vor 1-2 Jahren sogar noch sehr aktuell war. Gerade durch die Body Positive Bewegung. Jedoch wurde ich schon sehr viel früher mit diesem Thema konfrontiert und weiß auch wie viel dabei immer noch falsch läuft.
 
Ich muss dazu aber ganz am Anfang meines Lebens zurückkehren. Nicht da wo ich schon ein Kind war. Sondern kurz nach meiner Geburt, als ich noch mit starken Magenproblemen zu kämpfen hatte. Zwar kann ich mich nicht mehr daran erinnern, aber ich weiß wie meine Mutter mich mehrfach zum Krankenhaus fahren musste, da ich sehr stark mit meiner Verdauung zu kämpfen hatte.
 
Der Arzt hat meiner Mutter dann auch empfohlen, dass ich immer nur in kleinen Mengen den ganzen Tag über essen sollte.
 
Das klingt erst Mal ganz gut. Allerdings bin ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen und meine Großeltern hatten auch noch diese altmodische Einstellung, dass man doch bitte alles aufisst was auf dem Tisch kommt. Und generell hatten viele meiner Verwandten mit starken Übergewicht zu kämpfen. Während ich selbst eigentlich immer eine schlanke Figur hatte. Man möchte meinen, dass Kinder vor derlei Bemerkungen verschont wurden, aber ich habe jetzt noch die Sätze im Kopf:
 
„Du musst doch was essen. Damit du groß und stark wirst.“
 
„Das war’s schon? Na gut, dann geh.“
 
„Ja, immer diese Jugend und ihre Diäten.“
 
Ich bin ehrlich. Es hat mich unglaublich verletzt, dass man mir ständig etwas an den Kopf geknallt hat. Und die meisten bösen Worte kamen von Menschen, die meist selbst mit Gewichts- und Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatten. Doch als Kind war ich der perfekte Kompensator für all die Erwachsenen, da ich sehr still und schüchtern war und mich demnach auch nicht gegen die bissigen Bemerkungen wehren konnten.
 
Wenn es aber nur das gewesen wäre. Ich war ja schon immer jemand der lieber für sich gegessen hat, da ich ein sehr emotionaler Esser bin. Sobald ich in Gesellschaft bin werde ich automatisch nervös. Es mag ja die Menschen geben die unter Menschen mehr essen. Zu denen zählte ich definitiv nicht.
 
Im Alleinsein schaffte ich es meist sehr langsam und in meinen Tempo alles aufzuessen. Doch die veralteten Lebensweisen meiner Eltern und Großeltern führten oft dazu, dass ich mir das Essen reinzwang oder Schuldgefühle bekam wenn ich es dann doch nicht schaffe. Meine Gefühle wurden automatisch mit dem Essen verbunden und ich weiß noch, dass ich lange Zeit als Teenager dadurch eine Essstörung hatte.
 
Denn während ich essen konnte wie ein Mähdrescher versuchten meine Klassenkameradinnen wirklich Diäten zu machen. Im Kochkurs wurde ich komisch angeschaut wenn ich einfach Mal eine Portion Lasagne im Alleingang gefuttert hatte. Ich spüre jetzt noch ihre pikierten, skeptischen Blicke auf mir. Was da noch dazu kam, dass ich damals auch sehr stark gemobbt wurde und man generell jede Gelegenheit nutzte um mir eins auszuwischen.
 
Was es noch schlimmer macht sind die Menschen die meinen Skinnyshaming auch noch verharmlosen zu müssen.
 
Ihr fragt wie das gemeint ist?
 
Nun ja, viele sind der festen Überzeugung, dass Skinnyshaming gar nicht existiert. Ich lache dabei bitter. Denn wenn so eine Bemerkung fehlt erinnere ich sie immer daran, dass Wörter wie Vogelscheuche, Klappergestell, Hundeknochen, magersüchtig, dürre Schlampe und diverse anderer Beleidigungen definitiv kein Kompliment sind.
 
Und ich wünschte mir wirklich, dass es mit der Schulzeit aufgehört hatte, aber dem war nicht so. Ich glaube es gab kein Jahr wo ich nicht von mindestens einer Person (meistens weiblich) mir anhören musste, dass ich doch viel zu dünn sei. Das betrifft an sich beide Geschlechter, aber meine Erfahrung ist das Frauen grundsätzlich öfter auf das eigene Geschlecht herumhacken als andersrum.
 
Ich hatte auch sehr lange gebraucht um eine halbwegs vernünftige Beziehung zum Essen aufbauen zu können. Nicht etwa weil ich wirklich appetitlos war (von meiner Depression und Liebeskummer abgesehen), sondern einfach weil mir in einer Tour gesagt wurde, dass ich ungesund lebe. Die Ironie ist vor allem (um Mal auf die Schimpfwörter oben nochmal zurück zu kommen), dass genau so etwas erst zu einer Essstörung führen kann. In meinen Fall hab ich mich oftmals dazu gezwungen mehr Kalorien zu mir zu nehmen als mein Körper schaffte.
 
Das führte dazu, dass mir oft übel war (übergeben musste mich nie) und ich träge war. Denn ich war auch jemand der gerade in meiner Jugendzeit oft rausging und ausgiebige Spaziergänge machte. Und eigentlich holt sich der Körper immer das was er braucht, aber ich hatte mich eine Zeitlang auch dazu gezwungen 500g Nudeln am Tag zu essen (+ Frühstück und Abendessen).

Bodyshaming beginnt meist schon im Kindesalter.

Ich kenne Menschen die vielleicht die Hälfte davon essen. (Sportler ausgeschlossen). Und trotzdem hält sich das Vorurteil aufrecht, dass schlanke Menschen als magersüchtig gelten. Ich war so erleichtert als ich vor Jahren eine Youtuberin entdeckte die genau dieses Thema ansprach. Leider existiert das Video nicht mehr, aber auch sie wurde immer wieder harsch angefahren und auf ihr Gewicht angesprochen. Wenn sie einen Tag Mal weniger aß (das sah man durch die Vlogs) prasselte es nur so an kritischen Kommentaren.
 
Und so geht es mir auch. Ich hab das Gefühl, dass schlanke Menschen regelrecht beäugt werden von solchen Pseudo-Ärzten und Pseudo-Kritikern.
 
Ich persönlich finde das zum K*tzen.
 
Weil viele damit auch Magersucht verharmlosen. Das ist eine psychische Krankheit und hat rein gar nichts mit der Figur zu tun. Ich war nie magersüchtig. Maximal hatte ich eine sehr ungesunde Beziehung zum Essen und mich oft eher überessen, als zu wenig gegessen, aber trotzdem werden Menschen wie ich es bin in den Topf geworfen mit Magersüchtigen. Das ist scheiße für mich! Und scheiße für wirklich Betroffene!
 
Vor allem hilft es auch nicht denjenigen die eventuell damit ein Problem haben. Den Menschen nur aufgrund seiner Körpermaße zu kritisieren ist einfach nicht richtig. Erstaunlicherweise kommt das leider genau von den Menschen die sich so leidenschaftlich gegen Körper-Diskriminierung aussprechen. Auch der BMI ist übrigens Menschen wie ich es bin ein absolutes Dorn im Auge, da er meist gar nicht so aussagend darüber ist.
 
Mit Wehmut denke ich daran zurück wie ich aufgrund dieser Tatsache deswegen niedergemacht wurde. Der Grund warum ich in der Regel Niemand anderen aus meinen Mann oder einem Arzt mein Gewicht sage. Es nervt mich einfach nur, dass man mich aufgrund dessen abwertet. Ich bin klein und zierlich und ich erfahre das so oft im Leben.
 
Hättet ihr geglaubt, dass ich zierliches Persönchen eine schwere Schubkarre auf einen riesigen Misthaufen fahren kann? Nein. Weil das für viele ein absolut beständiges Vorurteil ist. Gerade im Arbeitsleben muss ich oft darum kämpfen ernst genommen zu werden. Meine kleine Größe ist da noch mein kleinstes Problem *Sarkasmus*. Meistens werde ich direkt auf meine Zierlichkeit angesprochen und ob ich mir sicher bin, dass ich das schaffe.
 
Egal ob Umzüge, Arbeit oder körperlich schwere Tätigkeit. Man lässt mich spüren, dass man mich unterschätzt. Und an sich freue ich mich natürlich wenn man mir bei etwas hilft wo ich wirklich Probleme habe, aber… dann bitte ich selbst um Hilfe. Das ist etwas anderes als wenn man mir diese Bitte vorweg nimmt und denkt mir einen Gefallen zu tun.
 
Ich glaube ich gehe sogar öfter für Schildrüsen-Check-Ups zum Arzt als die meisten Neunmalklugen. Und nein, ich hab immer noch nichts an der Schilddrüse. Tatsächlich liegt es bei mir hauptsächlich am sehr guten Stoffwechsel, dass ich nicht zunehme. Und ich finde es ohnehin unverschämt eine Person so herabzuwerten aufgrund ihres Gewichts.
 
Wo wir halt wieder bei der kurios verdrehten Ansicht der Bodypositivity Bewegung sind, die irgendwie meist sich eher auf das Fatshaming bezieht, aber nicht beim Skinnyshaming. Ich will weder, dass diese Arten von Shaming gleichgesetzt werden. Noch sie gegeneinander aufwiegeln. Mich stören nur all die Menschen (die eine Menge Doppelmoral in sich tragen) die das eine tolerieren, aber das andere verurteilen.

Es wäre so einfach die Körper anderer zu respektieren,
wenn man nur selbst die Grenzen dieser berücksichtigt.

Eigentlich kann man es so sehen wie bei anderen Themen:
 
Wenn es dich nicht betrifft dann lässt du die Person damit in Ruhe. Spar dir die Bemerkungen und äußere dich nicht dazu, wenn man dich gar nicht darum gebeten hat.
 
Es scheint für die Menschheit generell ein Problem zu sein nicht überall zu allem unreflektiert ihre Meinung zum Besten zu geben. Ich wünschte nur, dass dieses Thema generell etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen würde, da es meiner Meinung nach gerade bei der oben genannten Bewegung immer etwas untergegangen ist.
 
Krankhafte Schönheitsideale sind natürlich nie gut und es ist wichtig über das aufzuklären, aber verdammt nochmal hört endlich auf schlanke Menschen mit Magersüchtigen in einen Topf zu werfen. Das hat Mal so gar nichts miteinander zu tun!
 
Das Schlimmste was mir letztes Jahr widerfahren ist war der Therapeut, der nicht nur alte Traumas von mir hochgeholt hat, sondern mich im Sekundentakt auf meine schlanke Figur angesprochen hat. Das war Skinnyshaming vom Feinsten. Und ich hatte mich auch gefragt wie so jemand überhaupt Therapeut werden konnte. Denn das ist ein No Go. Gerade weil eine Therapie ohnehin etwas so Sensibles ist, da man ja quasi einen Seelenstriptease vor der anderen Person hinlegt. Zu merken, dass man dabei überhaupt nicht ernst genommen und sogar noch runter gemacht wird ist absolut ein Unding.
 
Ich finde es leider auch allzu ironisch, dass ich sehr oft auch von Menschen gemobbt wurde die ein höheres Gewicht hatten. Ja, Kinder sind oftmals sehr unreif, aber das allein reicht nicht als Erklärung warum man es nötig hat andere aufgrund ihres Gewichts fertig zu machen, obwohl man selbst davon betroffen ist. Denn im Gegensatz zu der Zeit im Schullandheim, wo es zwei Mädchen sehr witzig fanden mich zu beleidigen, ist mein Partner ein sehr sensibler Mensch bei diesem Thema.
 
Er war selbst auch von Übergewicht betroffen und kann besser als jeder andere verstehen wie grausam Menschen sein können.
 
Weswegen ich nur immer wieder am gegenseitigen Verständnis und Respekt appellieren kann.
 
Ich verstehe nicht warum Menschen so etwas tun. Und schon gar nicht warum Frauen dazu neigen ständig andere Frauen nieder zu machen. Wie gesagt, es gab auch Männer die mich gebody-shamed haben, aber zum Großteil war es doch mein eigenes Geschlecht was es für nötig hielt mich zu beleidigen.
 
Frauen sollten einfach zusammenhalten. Das hat auch wenig damit zu tun wie sehr man jemanden mag. Wenn man Prinzipien hat (bspw. das Ablehnen von Bodyshaming) sollte dies für beide Richtungen gelten. Und das Schlimmste an dieser Doppelmoral ist eigentlich, dass man meist selbst zu dem wird was man so kritisiert. Ich spreche mich übrigens auch nicht von Bodyshaming frei. Als ich noch jünger war hab ich auch schon einige fiese Bemerkungen abgelassen, hinter denen ich jetzt so nicht mehr stehen würde.
 
Wichtig ist einfach, dass man aus diesen Fehlern lernt und es in Zukunft richtig macht.
 
Shamed einfach nicht Leute für ihr Gewicht und lasst sie in Ruhe. Ihr wisst nicht was für eine Seele hinter diesem Körper steckt. Und schon gar nicht wie ihr diese damit nachhaltig schädigen könnt.
 
~ LadyCasera 🐇

Kommentare